Samstag, 5. Januar 2013

Die dritte Seite - oder: was helfen kann, wenn man zwischen den Stühlen sitzt

Hallo zusammen,

mal ein - beinahe - ganz anderes Thema:

gestern war eine liebe alte Freundin von uns zu Besuch. Sie erzählte von ihrem Job. Unsere Freundin ist Professorin (gleichzeitig sehr angenehm und unkompliziert) und sie leitet diverse Forschungs- und Gestaltungsprojekte - zu neudeutsch: sie hat neben Forschung und Lehre auch noch Personalverantwortung.

Sie erzählte nun von ihrer Gutmütigkeit bei der Einstellung neuer Mitarbeiter und vom Flop hinterher: nicht eingehaltene Termine, nicht gelieferte Konzepte, stattdessen gelieferte Ausreden rund um das Familienleben (kranke Kinder zum Beispiel - wir sprechen von einem Teilzeit-Pappa).

"Ich glaube ja, dass sein Problem ist, dass er sich einfach nicht durchsetzen kann bei seiner Frau. Außerdem weiß man doch, dass Kinder im Winter krank werden. Da baut man sich eben vorher einen Puffer ein."

Sie weiß, wovon sie spricht: sie ist alleinerziehende Mutter einer 12 jährigen Tochter, mit dem dazugehörigen Vater führt sie eine Fernbeziehung, die Großeltern sind weit weg, sie ist in allem die Ruhe selbst, sie ist sehr hilfsbereit und hat sich ein gutes Netzwerk aufgebaut.

Da war sie also - die dritte Seite der Dinge! Wie oft hatte ich schon die Beschwerden der Frauen
gehört: über Männer, die ständig Sonderschichten machen, spät abends nach Hause kommen und selbst in Urlauben noch für die Firma erreichbar sind.

Was heißt gehört? Mitgeredet hatte ich - mit den Frauen und genau so mit meinem Mann.

"Du verstehst das einfach nicht", hatte der dann geantwortet. "Das ist nicht so einfach - da kann ich nicht einfach so wegbleiben oder nicht erreichbar sein."

Und wenn wir zu viert mit anderen befreundeten Paaren unterwegs waren, war es oft dasselbe: die Frauen waren sich einig im Sich Beschweren, die Männer im Kopf schütteln und mit den Augen rollen a la: "Ihr habt einfach keine Ahnung, wie es im Berufsleben zugeht."

Und da saß sie mir nun gegenüber die Quadratur des Kreises: Frau, Mutter, Chefin in Personal-Union und kommt mit einer sehr einfachen Beschreibung und Lösung der Situation daher:

1. Der Mitarbeiter muss liefern, was er zugesagt hat - sonst kommen alle anderen nicht weiter

2. Er muss sich selbst organisieren und für typische Ausfälle einen Puffer einbauen

3. Er muss dafür sorgen, dass er diese dringende Aufgabe auch tun kann - selbst gegen äußere Widerstände wie zum Beispiel die der Familie

Ok, Nr.1 sollte doch eigentlich klar sein, oder?
Ist es aber nicht. Er liefert nicht - aus verschiedenen Gründen und vielleicht auch, weil die Kinder krank waren. Aber ich vermute, es ist ihm nicht bewusst, welche Konsequenzen das für alle hat, die sich um die folgenden Schritte kümmern müssen. 

Und es ist ihm schon gar nicht klar, welche Folgen das für ihn beruflich haben wird: Kein weiteres Projekt wird sie mit ihm machen, hat sie uns gesagt. Puh - so scharf habe ich sie noch nie reden hören und ich kenne sie seit 15 Jahren.

Unsere Männer, vermute ich, wissen das nur zu genau. Wir Frauen ahnen das (wir sind ja nicht blöd), aber wir sehen noch ein paar andere Konsequenzen: die für die Familie, die für die Partnerschaft und die für die eigene Gesundheit.

Es kann sogar sein, dass unsere Männer auch das ganz genau so wissen oder ahnen (die sind ja nicht blöd), aber sie sehen eben die noch schwerer wiegenden Konsequenzen im Job.

Nr.2 - tja, hier sind Frauen oft klar imVorteil und Erfahrung ist doch irgendwie Gold wert. Mittelohrentzündung und/oder Läuse im Winter sind fast so sicher wie Weihnachten und Geburstage - Frauen kennen das schon - also alle diese Prognosen - und stellen sich irgendwie darauf ein (ich glaube ja, das ist der eigentliche Grund, warum Männer den Telefonhörer immer an ihre Frauen weiter reichen, sobald irgendwelche Terminentscheidungen zu treffen sind - reine Charakterstärke!).

Ich vermute, besagter Mitarbeiter ist noch neu im Geschäft als Teilzeit-Pappa.

Nr.3 - und hier finden wir vielleicht die Lösung für das Gesamtpaket:

Reden hilft - sogar unter Erwachsenen! Allerdings möglichst konkret und begründet:

"Mein lieber Mitarbeiter", könnte sie sagen, "ich weiß, dass du sehr gute Arbeit leisten kannst. Bisher hast du nicht geliefert, was wir vereinbart hatten. Ich brauche das so schnell wie möglich. Sonst kann das Projekt nicht weitergehen und dann werde ich auch kein weiteres Projekt mehr mit dir machen."

"Mein lieber Schatz", könnte er zu seiner Frau sagen, "ich weiß, dass die Kinder krank sind und du auch arbeiten musst. Ich muss das jetzt fertig machen, sonst verliere ich meinen Job. Lass uns eine Kinderfrau holen."

"Mein lieber Schatz", könnte seine Frau zu ihm sagen, "ich weiß, dass du unter Druck stehst, aber du arbeitest zuviel. Mach das fertig, aber danach nehmen wir uns ein paar Tage frei."

Der Vorteil wäre, dass alle zu dem kommen, was sie wirklich brauchen - und dass unsere Freundin jetzt nicht händeringend nach einem neuen qualifizierten Mitarbeiter suchen müsste.

Die wiederum sieht das leider ganz anders:

"Das kann der sich doch alles zusammenreimen - der ist schließlich intelligent genug", sagt sie über den nicht liefernden Mitarbeiter.

Kann ich gut verstehen diese Hoffnung, aber ich fürchte, diese Rechung geht einfach nicht auf:

er kann es ganz offensichtlich nicht, sonst würde er es nämlich tun - also alles: sich besser organisieren, sich mit seiner Frau anders absprechen und das versprochene Konzept liefern.

Für unsere Freundin und den Mitarbeiter ist der Zug bereits abgefahren: sie ist sauer (selten genug) und sie wird ihn nicht wieder beschäftigen.

Schade - denn sie verliert so jemanden, von dem sie mal einen sehr kompetenten Eindruck hatte und muss nun für Ersatz sorgen, was möglicherweise  auch kein gutes Licht auf ihre Personalentscheidung wirft. Und der Mitarbeiter verliert seinen Job und möglicherweise auch seinen Ruf in der Branche.

Ich glaube, so was nennt man eine "lose-lose-Situation" - oder so ähnlich!

Und ich glaube, so was kommt in den besten Familien - äh Firmen - vor. Normal, wie man in Kölle sagt - aber reden hilft - sorry, liebe Männer und alle, die glauben, die anderen könnten sich das doch alles zusammenreimen!

Ich jedenfalls kann mir zum ersten mal zusammen reimen, warum die wirklich wichtigen Dinge von vielen nicht ausgesprochen werden - weil die denken, wir könnten uns das doch zusammenreimen. Ganz ehrlich, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen, aber es wird mir in der Zukunft vieles einfacher machen. Wieder was gelernt :)

Eine schöne Woche euch allen!


Frau W aus F

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