Donnerstag, 17. Januar 2013

Good enough ist besser als perfekt - oder: warum es manchmal alles andere ist, als eine Frage der Organisation

Hallo zusammen,

ja, ich war auch mal organisiert. Ich war sogar so organisiert, dass ich mir immer mehr aufgehalst habe: immer neue Projekte im Job, immer mehr Ehrenamt, immer mehr to-do-Listen und Essenspläne und Einkaufslisten und Telefonlisten und Veranstaltungs-Tipps und - immer mehr schlechtes Gewissen, denn es hat einfach nicht funktioniert. Das Ende: Bandscheibenschaden - Halswirbelsäule!

Und dabei dachte ich: es ist alles eine Frage der Organisation. Und ich war doch organisiert.

Meine Freundin ist da ganz anders - wenn ich bei ihr in der Küche sitze, sieht es genau so chaotisch aus, wie bei uns - mich stört das nicht, aber - und das ist das besondere: sie selbst offensichtlich auch nicht. Sie lacht viel, sieht vielem gelassen entgegen, strengt sich nicht zu sehr an und scheint auch nicht viel zum Leben zu brauchen - übrigens: 2 Kinder und Job als Freiberuflerin hat sie auch!

Vor einiger Zeit war sie mit ihrem Mann bei uns zu Besuch. Ich erzählte von meiner Ausbildung und meinen Plänen - sie erzählten vom letzten Camping-Urlaub. Und dann kam dieser Satz, der mich bis heute beschäftigt - also im besten Sinne, denn der ist für mich seit dem auch Programm:

"Wir machen uns einfach ein schönes Leben."

Wow - wie einfach ist das denn!

Nach und nach fiel mir auf, dass ich doch viel lieber das koche, was ich zufällig gerade im Kühlschrank finde, dass ich mit unserem good-enough-Haushalt gut leben kann (gut - das ist natürlich Verhandlungssache mit meinem Mann zum Beispiel ;), dass ich abends und am Wochenende möglichst frei haben möchte - und, dass ich meinen Orga-Kram gerne wieder nutze, wenn es dringend nötig ist.

Jetzt sieht es hier aus wie immer, ich vergesse nach wie vor dies und das, ich komme immer noch ab und zu in Zeitdruck, ich arbeite oft abends und vergesse auch öfters meine Pausen - alles wie gehabt.

Der Unterschied ist: es strengt mich nicht mehr so an, ab und zu hole ich die Pausen nach Bedarf einfach nach und im Notfall werfe ich sogar einen Blick auf die Listen.

Apropos Liste - hier ist eine für die Dinge, die eben doch anders sind:

1. Ich habe jetzt eine Aufgabe, die mir einfach sehr viel Spaß macht und sinnvoll ist - das fühlt sich an wie dauer-frisch-verliebt (anders kann man es nicht ausdrücken!)
2. Ich spanne alle Familienmitglieder nach ihren Möglichkeiten mit in die vielen verschiedenen Aufgaben ein - ist nicht Teamfähigkeit eine der gefragtesten Kernkompetenzen auf dem Arbeitsmarkt?
3. Ich engagiere mich für das, was mir wirklich wichtig ist - alles andere halte ich im good-enough-Zustand - wie gesagt: ist Verhandlungssache mit dem Umfeld
4. Ich mache im Notfall erst das Dringende, dann das Wichtige - also immer öfter ;)
5. Ich mach`s mir mit Kleinigkeiten nett (Musik, Kerzen, Bilder, Latte Macchiato, Lieblingsbuch...) - auch immer öfter
6. Ich höre rechtzeitig auf, zu arbeiten - oh nein - böse Lüge - in 10 Min. kommt mein Sohn


Gestern bei meinem Coaching-Abend für Familienfrauen kam nämlich ein toller Wunsch auf:

"Eine halbe Stunde Puffer einbauen, bevor die Kinder abgeholt werden."

Ok, ich sollte mal zu so einem Frauenabend gehen - da kann ich noch was lernen!!

  Es sieht so aus, als muss meine Familie wohl noch ne Weile good-enough leben - und mein Sohn darf mir gleich beim Mittagessen Gesellschaft leisten und die Spülmaschine ausräumen - er wird doch wohl keinen Schaden nehmen?

Morgen ist Freitag - da mach ich noch die letzten to-do´s - und dann: Wochenende frei :)

Ach nein - nicht ganz: am So. Abend ist ja der nächste Frauenabend. Wie gut, dass sich das gar nicht nach Arbeit anfühlt.

Bis bald!

Frau W aus F








Freitag, 11. Januar 2013

Morgen wird sie 18 - oder: warum man die Dinge immer erst tut, wenn man muss

Hallo zusammen,

plötzlich und unerwartet stand der 18. Geburtstag unserer Tochter vor der Tür - wie aus heiterem Himmel - man könnte sagen, niemand hat es ahnen können, dass sie 18 wird, dass man ein Geschenk braucht, dass es ein sehr besonderes Geschenk sein sollte und so weiter und so weiter...

Vor ca. 17,5 Jahren stand ich völlig fassungslos neben hoch organisierten Müttern von erstgeborenen Babies, die nach Stillalltag und halbwegs schlaflosen Nächten die verbleibende Rest-Freizeit in Nachtschichten Fotos in dicke Fotoalben einklebten: Fotos von den ersten Tagen im Krankenhaus, Fotos vom ersten Lächeln, Ausflug, Urlaub, Zahn, Brei - was weiß denn ich, was alles.

Gestern stand ich nun gefühlte 1,5 Std. vor dem Fotoautomat (hab da 2 sehr nette andere Frauen kennengelernt - dazu ein anderes mal) und machte Bilder nach: von den ersten Tagen im Krankenhaus, dem ersten Urlaub, der Einschulung, dem ersten I-Pod, der ersten E-Gitarre, der  Konfirmation und dem letzten Weihnachten vor dem 18.

Über die schlaflosen Nächte bis zu diesem Augenblick schweigen wir mal lieber. Vor allem über die, zwischen der Idee für dieses Fotoalbum-Geschenk vor ca. 10 Tagen bis zur Fertigstellung gestern Abend.

Ich sagte zu meiner Freundin - ihres Zeichens Patentante -:

"Ich möchte für sie gerne ein Fotoalbum machen. So 1 Bild pro Jahr, aber ich glaube, ich hab gar nicht von allen Jahren Fotos." 
Sie: "Dann mach doch nur die wichtigsten - lass halt ein paar Jahre aus."
Ich: "Genau - nur die wichtigsten Stationen. Du hast das ja alles schon damals gemacht - toll."
Sie: "Ja, aber ich hab auch nur die ersten 2 Jahre - danach hab ich auch nichts mehr eingeklebt."

Ich hatte fast gar nichts eingeklebt, aber das war jetzt meine Rettung. Ich fand auf dem Speicher 2 Kisten voller Fotos - also 2 Kisten in der Größe von Umzugskartons. Nichts war eingeklebt, aber netterweise 2 Jahrgänge in einer Fotobox, weitere 4 in Orginal-Fototüten der freundlichen Drogerie von neben an - und: mit Jahreszahl und Thema beschriftet - meine Handschrift - welch Überraschung!! Der Rest war digital - auf dem PC - noch Fragen?

Und dann: 100erte von Fotos durchsehen, aussuchen, nachmachen, drapieren, zurechtschneiden, neu drapieren, schließlich einkleben.

Das Ergebnis: schön :) 


Warum?

Weil es mich und uns und auch unsere Tochter ein Leben lang daran erinnern wird, was wir für schöne Momente erlebt haben. 

Nach den stürmischen Zeiten der letzten Jahre (frei nach "Schlaflos Seattle": haben Sie Teenie-Töchter? Nein? Wollen Sie meine?? ) war das fast eine Offenbarung: irgendwas scheint ganz gut gelaufen zu sein, wenn man diese Bilder so anschaut.

Wenn ich allerdings meinen stinknormalen Alltag so betrachte, wirkt das auf mich oft ganz anders: die Teenie-Töchter, die an freien Tagen schlafen bis um 13.30h ("Guten Morgen, liebe Studenten") die sich gerne mal Abend für Abend von Chips und Cola ernähren, die tagsüber schon mal genervt (zu neudeutsch: "angepisst") sind und sich mit allem streiten, was nicht bei 3 auf den Bäumen ist, die stundenlang vor PC und Co verbringen, deren Zimmer aussehen, als wäre Messie höchstselbst dort wohnhaft...

Ich sags ja - wollen Sie meine?

Vorgestern nun hab ich mit meiner Großen telefoniert - sie hütet gerade für 1 Woche Wohnung und Katze bei Freunden von uns. 

Ich: "Na, wie gehts dir, mein Schatz?"
Sie: "Prima - du wirst es nicht glauben: ich steh jeden Morgen um halb zwöf auf und treffe mich dann mit meinen Freunden zum Lernen in der Bücherei (Anm.: Abi steht vor der Tür). Und ich hab auch ganz viel eingekauft - also richtig gute Sachen - nicht irgendwie so`n Blödkram - lauter gesundes Zeug!"
Ich: "   "

Wenn ich jetzt irgendwem in meinem Freundeskreis erzählen werde, dass ich auf unserem Messie-Speicher war, um ein Fotoalbum für unsere Tochter zu machen, wird die Reaktion vermutlich die gleiche sein:

"   "

Was lernen wir daraus:

1. Man macht es erst, wenn man muss. 
2. Das ist ganz gut so - so kann man sich immer auf das konzentrieren, was gerade wichtig ist.
3. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm - oder: "Es ist viel wahrscheinlicher, dass Ihre Kinder das tun, was Sie tun, als dass sie tun, was Sie sagen" (ist nicht von mir - hab ich irgendwo von einem sehr klugen Menschen gelesen)

Was lernen wir noch?

Vormachen hilft!

In den Weihnachtsferien hatte ich mal ein paar weitere Zimmer in unserem Haus aus dem fast- Messie-Status befreit, hatte meinen PC auf Sparflamme gesetzt und wieder halbwegs vernünftig gekocht.

Wenn ich mich jetzt hier so umschaue, kann ich damit gleich wieder einsteigen - es ist so viel liegengeblieben, während ich das Fotoalbum gemacht habe.

Hmm - könnte sein, dass sich das Aufschieben doch irgendwie am Ende nicht wirklich rechnet...

Fragen Sie sich auch gerade, warum ich mich jetzt nicht um meine unerledigte dringende to-do-Liste kümmere, statt diesen Artikel zu schreiben?

Ganz einfach: weil´s mir Spaß macht und genug Schwung gibt, um mich dann doch diesen  unangenehmen Dingen zu widmen - es geht dann alles doppelt so schnell!

Dann also los - und ein schönes Wochenende (meine Tochter macht heute ihre Party - hier - wir sind evakuiert - bei der Katze! Morgen hat sie einen Kater (also meine Tochter), nachmittags gibts Kuchen und am Sonntag Brunch mit der buckligten Verwandtschaft - nicht hier - sehr zu empfehlen!)

Ok, ok - ich geh ja schon zu meinen to-do`s!


Schönes Wochenende :)

Frau W aus F


Samstag, 5. Januar 2013

Die dritte Seite - oder: was helfen kann, wenn man zwischen den Stühlen sitzt

Hallo zusammen,

mal ein - beinahe - ganz anderes Thema:

gestern war eine liebe alte Freundin von uns zu Besuch. Sie erzählte von ihrem Job. Unsere Freundin ist Professorin (gleichzeitig sehr angenehm und unkompliziert) und sie leitet diverse Forschungs- und Gestaltungsprojekte - zu neudeutsch: sie hat neben Forschung und Lehre auch noch Personalverantwortung.

Sie erzählte nun von ihrer Gutmütigkeit bei der Einstellung neuer Mitarbeiter und vom Flop hinterher: nicht eingehaltene Termine, nicht gelieferte Konzepte, stattdessen gelieferte Ausreden rund um das Familienleben (kranke Kinder zum Beispiel - wir sprechen von einem Teilzeit-Pappa).

"Ich glaube ja, dass sein Problem ist, dass er sich einfach nicht durchsetzen kann bei seiner Frau. Außerdem weiß man doch, dass Kinder im Winter krank werden. Da baut man sich eben vorher einen Puffer ein."

Sie weiß, wovon sie spricht: sie ist alleinerziehende Mutter einer 12 jährigen Tochter, mit dem dazugehörigen Vater führt sie eine Fernbeziehung, die Großeltern sind weit weg, sie ist in allem die Ruhe selbst, sie ist sehr hilfsbereit und hat sich ein gutes Netzwerk aufgebaut.

Da war sie also - die dritte Seite der Dinge! Wie oft hatte ich schon die Beschwerden der Frauen
gehört: über Männer, die ständig Sonderschichten machen, spät abends nach Hause kommen und selbst in Urlauben noch für die Firma erreichbar sind.

Was heißt gehört? Mitgeredet hatte ich - mit den Frauen und genau so mit meinem Mann.

"Du verstehst das einfach nicht", hatte der dann geantwortet. "Das ist nicht so einfach - da kann ich nicht einfach so wegbleiben oder nicht erreichbar sein."

Und wenn wir zu viert mit anderen befreundeten Paaren unterwegs waren, war es oft dasselbe: die Frauen waren sich einig im Sich Beschweren, die Männer im Kopf schütteln und mit den Augen rollen a la: "Ihr habt einfach keine Ahnung, wie es im Berufsleben zugeht."

Und da saß sie mir nun gegenüber die Quadratur des Kreises: Frau, Mutter, Chefin in Personal-Union und kommt mit einer sehr einfachen Beschreibung und Lösung der Situation daher:

1. Der Mitarbeiter muss liefern, was er zugesagt hat - sonst kommen alle anderen nicht weiter

2. Er muss sich selbst organisieren und für typische Ausfälle einen Puffer einbauen

3. Er muss dafür sorgen, dass er diese dringende Aufgabe auch tun kann - selbst gegen äußere Widerstände wie zum Beispiel die der Familie

Ok, Nr.1 sollte doch eigentlich klar sein, oder?
Ist es aber nicht. Er liefert nicht - aus verschiedenen Gründen und vielleicht auch, weil die Kinder krank waren. Aber ich vermute, es ist ihm nicht bewusst, welche Konsequenzen das für alle hat, die sich um die folgenden Schritte kümmern müssen. 

Und es ist ihm schon gar nicht klar, welche Folgen das für ihn beruflich haben wird: Kein weiteres Projekt wird sie mit ihm machen, hat sie uns gesagt. Puh - so scharf habe ich sie noch nie reden hören und ich kenne sie seit 15 Jahren.

Unsere Männer, vermute ich, wissen das nur zu genau. Wir Frauen ahnen das (wir sind ja nicht blöd), aber wir sehen noch ein paar andere Konsequenzen: die für die Familie, die für die Partnerschaft und die für die eigene Gesundheit.

Es kann sogar sein, dass unsere Männer auch das ganz genau so wissen oder ahnen (die sind ja nicht blöd), aber sie sehen eben die noch schwerer wiegenden Konsequenzen im Job.

Nr.2 - tja, hier sind Frauen oft klar imVorteil und Erfahrung ist doch irgendwie Gold wert. Mittelohrentzündung und/oder Läuse im Winter sind fast so sicher wie Weihnachten und Geburstage - Frauen kennen das schon - also alle diese Prognosen - und stellen sich irgendwie darauf ein (ich glaube ja, das ist der eigentliche Grund, warum Männer den Telefonhörer immer an ihre Frauen weiter reichen, sobald irgendwelche Terminentscheidungen zu treffen sind - reine Charakterstärke!).

Ich vermute, besagter Mitarbeiter ist noch neu im Geschäft als Teilzeit-Pappa.

Nr.3 - und hier finden wir vielleicht die Lösung für das Gesamtpaket:

Reden hilft - sogar unter Erwachsenen! Allerdings möglichst konkret und begründet:

"Mein lieber Mitarbeiter", könnte sie sagen, "ich weiß, dass du sehr gute Arbeit leisten kannst. Bisher hast du nicht geliefert, was wir vereinbart hatten. Ich brauche das so schnell wie möglich. Sonst kann das Projekt nicht weitergehen und dann werde ich auch kein weiteres Projekt mehr mit dir machen."

"Mein lieber Schatz", könnte er zu seiner Frau sagen, "ich weiß, dass die Kinder krank sind und du auch arbeiten musst. Ich muss das jetzt fertig machen, sonst verliere ich meinen Job. Lass uns eine Kinderfrau holen."

"Mein lieber Schatz", könnte seine Frau zu ihm sagen, "ich weiß, dass du unter Druck stehst, aber du arbeitest zuviel. Mach das fertig, aber danach nehmen wir uns ein paar Tage frei."

Der Vorteil wäre, dass alle zu dem kommen, was sie wirklich brauchen - und dass unsere Freundin jetzt nicht händeringend nach einem neuen qualifizierten Mitarbeiter suchen müsste.

Die wiederum sieht das leider ganz anders:

"Das kann der sich doch alles zusammenreimen - der ist schließlich intelligent genug", sagt sie über den nicht liefernden Mitarbeiter.

Kann ich gut verstehen diese Hoffnung, aber ich fürchte, diese Rechung geht einfach nicht auf:

er kann es ganz offensichtlich nicht, sonst würde er es nämlich tun - also alles: sich besser organisieren, sich mit seiner Frau anders absprechen und das versprochene Konzept liefern.

Für unsere Freundin und den Mitarbeiter ist der Zug bereits abgefahren: sie ist sauer (selten genug) und sie wird ihn nicht wieder beschäftigen.

Schade - denn sie verliert so jemanden, von dem sie mal einen sehr kompetenten Eindruck hatte und muss nun für Ersatz sorgen, was möglicherweise  auch kein gutes Licht auf ihre Personalentscheidung wirft. Und der Mitarbeiter verliert seinen Job und möglicherweise auch seinen Ruf in der Branche.

Ich glaube, so was nennt man eine "lose-lose-Situation" - oder so ähnlich!

Und ich glaube, so was kommt in den besten Familien - äh Firmen - vor. Normal, wie man in Kölle sagt - aber reden hilft - sorry, liebe Männer und alle, die glauben, die anderen könnten sich das doch alles zusammenreimen!

Ich jedenfalls kann mir zum ersten mal zusammen reimen, warum die wirklich wichtigen Dinge von vielen nicht ausgesprochen werden - weil die denken, wir könnten uns das doch zusammenreimen. Ganz ehrlich, darauf wäre ich im Leben nicht gekommen, aber es wird mir in der Zukunft vieles einfacher machen. Wieder was gelernt :)

Eine schöne Woche euch allen!


Frau W aus F